INTERVIEW
Wie können wir die gleichen Fehler vermeiden, Frau Dr. Happel?
Als Inhaberin von Geldbiografien® bettet Dr. Birgit Happel finanzielle Bildung in individuelle und gesellschaftliche Zusammenhänge ein und behandelt dabei Fehler und Wiederholungsfehler. Private und Wealth sprach mit der Soziologin, die auch als freie Vortragsreferentin für „Haus und Geld“ tätig ist, über Fehlerursachen und Lösungen.
Frau Dr. Happel, Sie haben schon in jungen Jahren selbst als Wertpapierberaterin gearbeitet, später haben Sie sich intensiv mit Geldpsychologie und finanzieller Bildung befasst. Was war dabei für Sie die wichtigste Erkenntnis?
Das ist natürlich schwer auf einen Punkt herunterzubrechen. Aber wenn wir über Fehler sprechen, dann ist eine Kernerkenntnis, dass bei vielen Menschen die subjektive Logik wirksamer ist als die ökonomische Ratio. Vereinfacht ausgedrückt: Die meisten Menschen, die offenbar ökonomisch gegen ihre Interessen handeln, wissen das auch. Aber sie haben Motive, die für sie persönlich wichtiger sind, zum Teil auch unbewusst. Diese erfüllen einen subjektiven Sinn und leiten uns. Wer immer wieder sein Konto überzieht, dem mangelt es nicht an Wissen darüber, dass das nicht gut für ihn ist. Aber die Person hat vielleicht starke Gründe, über ihre Verhältnisse zu leben; vielleicht, weil mit hohem Konsum versucht wird, den Selbstwert zu stabilisieren. Wir sollten daher immer auch eine Ebene tiefer schauen: Was treibt den Menschen an?
Wir alle haben wahrscheinlich solche ökonomisch nicht rationalen Triebfedern, die sich aus der eigenen Biographie erklären lassen könnten. Doch wie gelingt es mir, dass diese nicht meine Entscheidungen als Anleger zu sehr beeinflussen?
Wichtig ist es, anfangs eine emotionale Verbindung zu Zielen zu schaffen. Ein rationales Ziel allein hilft selten weiter. Fragen Sie sich: Warum ist es für Sie wichtig, das Konto nicht zu überziehen? Oder: Was ist Ihr konkretes Anlageziel? Das könnte zum Beispiel sein: Ich will, dass es der Nachfolgegeneration finanziell gut geht. Ökonomische Ziele sollten mit dem eigenen Leben verbunden werden. Die Erfahrung zeigt, dass da manche Blockade aufgebrochen wird: Eigentlich bin ich immer vor Aktien zurückgeschreckt, aber bei der Ausbildung für die Kinder nutze ich doch einen Aktiensparplan.
Und trotzdem mag es uns immer wieder passieren, dass wir auch gegen diese emotional verknüpften Ziele „verstoßen“, weil vielleicht der emotionale Impuls zu stark ist… wie kann ich das kontrollieren?
Wir sind in Deutschland eigentlich schon ziemlich verkopft. Aber natürlich haben auch wir immer mal wieder den Wunsch, „auszubrechen“. Dann schlafen wir nicht vorher „eine Nacht drüber“, sondern treffen spontane, ggf. auch irrationale Entscheidungen. Und so sehr wir diese vorher und nachher rational kritisch bewerten – in dem Moment war der Impuls stärker. Reflektieren und sich Bewusst machen, welche Motive einen in solche Situationen treiben, kann dagegen helfen. Aber wichtig ist auch, diesen Impuls gelegentlich zuzulassen und sich nicht zu kasteien – jedoch die Kosten zu begrenzen. Im Anlagefall heißt das: Eine klare Anlagestrategie gibt Struktur vor, das macht es einfacher, nicht erratisch zu handeln. Auf breite Fonds zu setzen, statt Einzeltitel zu wählen, nimmt beispielsweise tendenziell Volatilität aus dem Portfolio und vermindert das Risiko von unüberlegten Entscheidungen. Und wenn Sie zudem bewusst einen geringen Teil Ihres Vermögens für das Spontane, Irrationale, den Spieltrieb reservieren, sind die Folgen zumindest für das Ganze überschaubar, aber der Impuls wurde ausgelebt.
Das klingt nach einer guten Lösung. Manchmal treibt einen dennoch die Angst, sogar Panik – und dann werden auch mal bestehende Grenzen eingerissen. Wie vermeide ich solche Überschreitungen?
Gerade in volatilen Zeiten sind solche Angst-Phasen bzw. vielleicht auch umgekehrt Gier-Phasen nicht ungewöhnlich. Angst und Gier sind keine guten Ratgeber, das erleben wir bei der Börsenanlage ja immer wieder. Die beste Lösung ist es, sich an der eigenen Risikobereitschaft zu orientieren und daran festzuhalten. Wenn es um größere Beträgt geht, kann auch in Erwägung gezogen werden, das Thema Dritten zu überlassen, die einen professionellen Blick auf die Vermögensanlage und langjährige Erfahrung haben. Vermögensverwalter beispielsweise haben eine andere Distanz zu Ihrem Vermögen und sind zugleich an die Ziele gebunden, die Sie gemeinsam vereinbart haben. Außerdem empfehle ich mittel- und langfristigen Anlegern und Anlegerinnen, nicht immer ins Depot zu schauen. Sie haben nichts davon, weil sie ja nicht handeln müssen. In Zeiten von Crashs muss ich versuchen, meine eigenen Gedanken zu kontrollieren. Das fängt schon mit dem Wording an. Wenn ich mir den ganzen Tag einrede, heute habe ich wieder soundso viel (tausend) Euro verloren, ist das wirklich kontraproduktiv. Und auch wenn das Rebalancing ansteht, damit Sie die Zielquoten in den unterschiedlichen Anlageklassen wiederherstellen, sollten Sie dazu nicht gerade eine sehr volatile Phase nehmen.
Das erinnert an die alte Börsenweisheit „Hin und Her macht Taschen leer“.
Ja. Aber dabei darf man auch nicht vergessen: Manchmal ist Nicht-Handeln das ökonomisch nachteiligere Verhalten. Wer in einer langen Niedrigzinsphase sein Vermögen nur auf dem Termingeldkonto oder Sparbuch lässt, schadet sich auch ganz ohne Impulshandlungen.
Das nicht zu ändern, wäre dann auch ein Fehler, denn man immer wieder macht… Vielen Dank für das Gespräch, Frau Dr. Happel.
Hintergrundbeitrag zum Thema.
Eigentlich kennen wir die Grundregeln für erfolgreiches Anlegen. Doch in der Praxis handeln wir oft genug wider besseres Wissen. Und das immer und immer wieder. Warum – und wie können wir es in Zukunft verhindern?
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