INTERVIEW
Käufer interessieren sich vor allem für die Zukunft des Unternehmens.
Im Gespräch mit Roland Quiring, Geschäftsführer der Avestio GmbH & Co. KG in Bad Homburg, über den Markt für Unternehmenskäufe und -verkäufe und die Rolle des Wertes eines Unternehmens im Prozess der Unternehmensnachfolge.
Welche Entwicklungen beobachten Sie aktuell auf dem Markt für Unternehmenskäufe und -verkäufe?
Aus unserem täglichen Kontakt mit unseren Kunden und Akteuren im Bereich der Unternehmenstransaktionen stellen wir fest, dass sich der Verkäufermarkt zu einem Käufermarkt entwickelt hat. Ein Trend, den wir insgesamt sehen, ist die grundsätzlich sinkende Bereitschaft zur Übernahme eines Unternehmens. Dazu trägt sicherlich bei, dass es sich in komfortablen Anstellungen gut aushalten lässt und potentielle Übernahmekandidaten nicht unbedingt die unternehmerische Selbständigkeit und das entsprechende Risiko suchen. Gleichzeitig sind die Parameter für den Unternehmenskauf schwieriger geworden. Zum einen drücken die Zinskosten für die Finanzierung auf die Kaufpreise. Zudem sind in diesen immer auch Risikoprämien eingepreist. Die zunehmend unsicheren Zukunftsaussichten (Stichwort Energie, Lieferketten etc.) sorgen dafür, dass Planungen unsicherer geworden sind. Dies spiegelt sich in den Angeboten der Käufer wider.
Schaut man sich den M&A-Markt in Deutschland an, fällt auf, dass der Transaktionswert im kleinen und mittleren Segment kontinuierlich zunimmt. Was steckt hinter diesem Trend?
Wir sehen ein zunehmendes Feld an professionellen Interessenten, wie Beteiligungsgesellschaften, die sukzessive und systematisch Unternehmen aufkaufen - gerade in den Bereichen Handwerk, IT und Sanitär. Hier werden im Rahmen von Buy-and-build-Strategien mehrere kleine Unternehmen zusammengekauft, um aus diesen dann eine größere Einheit zu bilden. Hintergrund ist, dass attraktive größere Gesellschaften als Übernahmeziel rar geworden sind. Wir beobachten zudem, dass sich auch im Small Cap-Bereich die Käuferstruktur zunehmend professionalisiert. Parallel steigen die Anforderungen der Käufer an die zum Verkauf stehenden Unternehmen in Bezug auf die Qualität der Zahlen, Informationen und Mitarbeiterstrukturen. Auch kleine Unternehmen müssen sich mittlerweile gut aufstellen, um attraktiv für Käufer zu sein.
Wie beeinflusst die Transformation in Richtung Nachhaltigkeit und Digitalisierung den M&A-Markt?
Hier ist zwar ein deutlicher Umbruch zu beobachten, jedoch sehen wir vor allem bei kleineren Unternehmen einen erheblichen Nachholbedarf - vor allem im Bereich der Nachhaltigkeitskriterien Umwelt, Soziales und Unternehmensführung sowie der Digitalisierung. Wichtig, um einen Betrieb erfolgreich zu veräußern, sind Alleinstellungsmerkmale, also eine Story, die das eigene Unternehmen auszeichnet. Insofern sind Unternehmer gut beraten, das Besondere, das sie anzubieten haben und sie individuell auszeichnet, konsequent herauszuarbeiten und systematisch zu entwickeln.
Neben der Ist-Situation bestimmen auch die Zukunftspläne entscheidend die Attraktivität eines Unternehmens im Verkaufsprozess…
Das ist richtig. Käufer interessieren sich vor allem für die Zukunft des Unternehmens. Die Planung gewinnt ein immer größeres Gewicht. Auch die Mitarbeiter, insbesondere deren Altersstruktur, sind hier ein zukunftsgerichtetes Parameter. Als Berater für die Unternehmensnachfolge bzw. den Unternehmensverkauf sind wir in jedem individuellen Fall gefordert, die relevanten Themen zu analysieren und gezielt aufzuarbeiten. Ganz wesentlich sind hier der Blick nach vorne und die Fragen: Was sind die Pläne, was ist davon schon realisiert worden, wie sieht insgesamt das Potenzial aus? All das müssen wir in eine Story formen, um das Unternehmen attraktiv zu machen und vernünftig am Markt zu platzieren. Wichtig ist, dass Unternehmer frühzeitig anfangen zu überlegen, was ihre Firma besonders und wertvoll macht und an diesen Themen ständig zu arbeiten. Käufer verlangen klare Unternehmensstrukturen und sind an allem, was nicht betriebsnotwendig ist, nicht interessiert.
Was bedeutet in diesem Zusammenhang „frühzeitig“?
Ein guter Zeithorizont, um die Frage der Nachfolge bzw. des Unternehmensverkaufs erfolgreich zu regeln, sind drei Jahre. Viele Themen, die als relevant erkannt und umgesetzt werden, brauchen einfach Zeit. Mit Blick auf die Bilanz sind in diesem Zusammenhang Verschuldung, Liquiditätssituation sowie Abschreibungen in Verbindung mit Investitionen zu nennen. Hier gilt es, die Strukturen in der Bilanz und den Jahresabschlüssen entsprechend rechtzeitig, also am besten mindestens zwei Bilanzstichtage im Voraus, anzupassen. Ideal wäre es, schon bei der Gründung des Unternehmens im Gesellschaftsvertrag den späteren „Exit“ anzulegen. Allerdings sollten im Laufe der Zeit regelmäßige Überprüfungen stattfinden. In der Praxis erleben wir häufig, dass über die Jahre gewachsene, erfolgreiche Unternehmen, in denen es mehrere Gesellschafter gibt, das Thema Unternehmensverkauf nicht sauber regeln. Dann sind Schwierigkeiten vorprogrammiert - auch wenn zum Beispiel ein Todesfall eintritt und Erben ins Unternehmen einsteigen.
Bei der Erarbeitung der bestmöglichen Lösung spielt das Thema Bewertung eine zentrale Rolle. Verkäufer und Käufer haben meist gegensätzliche Vorstellungen vom Wert des betreffenden Unternehmens…
Natürlich möchte der Verkäufer möglichst viel Geld für seinen Betrieb erhalten und der Käufer möglichst wenig bezahlen. Viele Unternehmer haben überhaupt keine Vorstellung, was ihr Unternehmen eigentlich wert ist. Ich erlebe immer wieder beide Fälle, also dass der Wert sowohl über- als auch unterschätzt wird. Insofern ist eine Unternehmenswertermittlung zunächst ein gutes Hilfsmittel, um das Thema zu versachlichen. Zudem muss beachtet werden, dass der Unternehmenswert und der am Ende gezahlte Kaufpreis voneinander abweichen. Letzterer ergibt sich erst nach Korrektur um die sog. Netto-Finanzverbindlichkeiten, wie Schulden oder im Unternehmen verbleibende Liquidität. Technisch werden nicht das Unternehmen selbst, sondern die Anteile am Unternehmen verkauft. Dies muss man vielen Verkäufern bereits im frühen Stadium des Verkaufsprozesses verdeutlichen, um späteren Enttäuschungen vorzubeugen.
Wie gehen Sie mit Emotionen auf beiden Seiten um? Nehmen Sie - wenn nötig - eine Vermittlerrolle ein?
Käufer sind in der Regel relativ frei von Emotionen, sie wollen schlichtweg so wenig wie möglich bezahlen. Anders sieht es beim Verkäufer aus. Er ist oft tief mit seinem Betrieb verwurzelt und möchte sein Lebenswerk für einen möglichst hohen Preis abgeben. Hier kommt unsere moderierende Rolle als Berater ins Spiel. Dabei zeigen wir zunächst einmal dem Verkäufer auf, dass die Versuche des Käufers, den Preis zu drücken, nicht als persönliche Kritik mißverstanden werden sollten. Hier kommt es darauf an, die Emotionen des Verkäufers auszubalancieren. Hilfreich ist dabei, ihm die Rollenverteilung deutlich zu machen: Der Verkäufer kennt sein Unternehmen zu 100 Prozent und erhält am Ende des Prozesses viel Geld, während der Käufer die Firma nie zu 100 Prozent kennt, Risiken übernimmt und letztlich auch die Kaufpreisfinanzierung tragen muss. Unsere Aufgabe besteht darin, aufzuklären und Verständnis zu wecken - und zwar für beide Seiten.
Die Kaufpreisfindung ist also immer ein Prozess der Annäherung, bei dem man sich aufeinander zu bewegt?
Ganz genau. Käufer verlangen eine plausible Herleitung des Kaufpreises. Deshalb erarbeiten wir mit dem Verkäufer immer eine klare Strategie der Preisherleitung für den Käufer. Schließlich muss auch dieser seine Argumente auf den Tisch bringen, wenn er eine deutlich niedrige Preisvorstellung hat. Das Problem ist häufig, dass Unternehmen unter steuerlichen Gesichtspunkten ausgestaltet wurden, was jedoch für einen hohen Unternehmenswert kontraproduktiv ist. Wenn man sich gegenüber dem Finanzamt arm rechnet, hat man auf der anderen Seite nicht die Argumente, um das Unternehmen wertvoll gegenüber dem Käufer darzustellen.
Es geht aber nicht immer nur ums Geld. Machmal sind es auch Differenzen in der strategischen Vorstellung, wie das Unternehmen (weiter-)geführt werden soll…
Neben dem Kaufpreis muss natürlich der „strategische Fit“ passen, also eine ganze Reihe weicher Faktoren, die dem Verkäufer wichtig sind und bei der Transaktion eine besondere Relevanz haben. Dazu zählen zum Beispiel der Erhalt des Firmennamens, die Fortführung des Betriebes, der Standort, die Mitarbeiter und vielfach auch verschiedene Aspekte rund um das Thema Immobilien. Wir erarbeiten schon sehr früh im Prozess gemeinsam mit dem Verkäufer ein „Investorenprofil“, welches seine Vorstellungen in Bezug auf den Käufer dokumentiert. Generell ein wichtiges Thema ist hierbei das zukünftige Managementkonzept des Käufers sowie häufig auch die Frage, wie schnell der Verkäufer aus seinem Unternehmen aussteigen kann. Es gibt Verkäufer, die an einem möglichst schnellen Exit interessiert sind und dafür auch deutliche Preisabschläge akzeptieren. Als Berater gehen wir nur in Gespräche mit potenziellen Käufern, bei denen wir das Gefühl haben, dass neben dem Kaufpreis auch die strategischen Vorstellungen des Verkäufers bestmöglich berücksichtigt werden.
Die Unternehmensnachfolge und ein Unternehmensverkauf sind komplexe, vielfältige Themen, die durchaus vielerlei Blickwinkel bedürfen. Wie können Unternehmer frühzeitig herangeführt werden, sich damit zu beschäftigen?
Viele der Unternehmer, mit denen wir in Kontakt treten, haben große Berührungsängste in Bezug auf die Nachfolgethematik. Die Unwissenheit darüber, wie lange Übergabeprozesse dauern, was sie kosten und wie sich geeignete Käufer finden lassen, ist in der Regel groß. Hinsichtlich der bereits erwähnten nötigen Vorbereitungszeit wäre meine Empfehlung, Unternehmerinnen und Unternehmer frühzeitig an das Thema heranzuführen. Das kann durch Foren oder auch andere Informationsveranstaltungen geschehen, um aufzuklären und gemeinsam ins Gespräch zu gehen. Hier geht es darum, ganz grundsätzlich zu informieren und sich am Beispiel des eigenen Unternehmens mit dem Thema vertraut zu machen und möglicherweise bereits erste Ansätze für einen individuellen „Nachfolge-Fahrplan“ zu entwickeln.
Hintergrundbeitrag zum Thema.
Die Übergabe des eigenen Betriebes ist für die meisten Unternehmensinhaber das bedeutendste Ereignis. Keine Nachfolge ist wie die andere. Daher ist es besonders wichtig, die richtigen Weichen zu stellen. Die Partner der S-Finanzgruppe begleiten Sie gerne – von der 360°-Analyse über kundenspezifische Lösungen bis zur maßgeschneiderten Umsetzung.
Bestens beraten.
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Die steuerliche Behandlung hängt von den persönlichen Verhältnissen des jeweiligen Kunden ab und kann künftig auch rückwirkenden Änderungen (z. B. durch Gesetzesänderung oder geänderte Auslegung der Finanzverwaltung) unterworfen sein. Zu den Fragen der steuerlichen Situation in dem konkreten Fall sollte ein Steuerberater oder eine steuerfachkundige Person hinzugezogen werden.
Stand:08/2023
Etwaige in diesem Artikel erwähnten Finanzinstrumente können mit Risiken verbunden sein, die schwer abzuschätzen und in die Evaluation einer Anlageentscheidung einzubeziehen sind. Die DekaBank ist bereit, Kunden auf Wunsch weitere Informationen zu den Risiken spezifischer Anlagen zu liefern.
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