INTERVIEW
Kostet die grüne Transformation unseren Wohlstand – oder rettet sie ihn?
Die Wirtschaft steht vor einem Umbruch. Eine zentrale ökonomische Frage lautet dabei, ob langfristiges Wachstum und nachhaltiges Wirtschaften überhaupt gleichzeitig möglich sein können. Wie die Wirtschaft sich angesichts der Klimakrise zukunftsfest aufstellen kann, erläutert Volkswirtin Nikola Stephan vom Makro-Team der Deka im Interview.
Frau Stephan, Sie haben mit Ihren Kollegen ein interessantes Paper mit dem Titel „Wachstum und Nachhaltigkeit – passt das zusammen?“ veröffentlicht. Zu welchem Schluss kommen Sie? Kann sich das Wirtschaftswachstum tatsächlich von Treibhausgas-Emissionen und der Nutzung von Ressourcen entkoppeln?
Grundsätzlich kann beides funktionieren, sowohl Wachstum als auch Nachhaltigkeit. Wir benötigen für die grüne Transformation sehr große Investitionen, und diese Investitionen sind positiv für das Wirtschaftswachstum. Man muss jedoch beachten, dass es sich um eine sehr drastische Transformation handelt, die mit hohen Kosten verbunden ist, und diese höheren Kosten enden zunächst oftmals in höheren Preisen für die Verbraucher, was den Konsum bremsen kann. Das bedeutet: Wir haben gegenteilige Effekte in dieser Transformation, und auch deshalb kommen die mittelfristigen Szenarioanalysen zum Beispiel von der EU und dem Weltklimarat zu dem Ergebnis, dass die Auswirkungen auf das Wachstum gering sind, sowohl positiv wie negativ.
Also steht dem nachhaltigen Umbau der Wirtschaft nichts entgegen, oder?
Ja, denn es ist entscheidend, in dieser Rechnung die Kosten des Nicht-Handelns dagegenzuhalten. Langfristig gesehen entstehen deutlich höhere Kosten, wenn wir nichts tun, insbesondere durch die negativen Effekte auf die Gesundheit, zum Beispiel durch Luftverschmutzung, oder durch extreme Wetterereignisse. Im Gegensatz dazu wird die Verfügbarkeit von Arbeitskräften durch die gesundheitlichen Vorteile von guter Luft- und Wasserqualität erhöht, Kapital wird geschützt durch niedrigere Verluste aufgrund von Umweltkatastrophen, und Investitionen in umweltfreundliche Innovationen führen perspektivisch zu Produktivitätssteigerungen und Wissenstransfer.
Welche Rolle kann bzw. sollte der Staat bei dieser Frage spielen? Wie kann er das Wachstum nachhaltig fördern?
Der Staat hat in dieser Thematik eine große Bedeutung. Aber er kann es nicht alleine machen. Dafür ist er auch nicht da, sondern dafür, die richtigen Anreize zu setzen und auch den privaten Sektor mit ins Boot zu holen. Alle müssen an einem Strang ziehen.
Wie sollte der Staat das angehen? Mit Steueranreizen oder eher mit Subventionen? Was ist aus Ihrer Sicht die effektivere Variante?
Das lässt sich pauschal nicht sagen. Grundsätzlich sind beides valide Instrumente. Darüber hinaus sollte der Staat aber regulatorische Weichen stellen, etwa mit strengeren Umweltstandards oder entsprechenden Bauvorschriften. Aber der Staat sollte auch selbst investieren in Forschung und Entwicklung.
Warum ist es grundsätzlich so schwierig, die ökonomischen Effekte eines nachhaltigen Wirtschaftens zu berechnen?
Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist das Thema sehr komplex und deshalb auch schwierig zu berechnen. Es geht im Grunde um einen Umbruch des bisherigen Wirtschaftsmodells. Bislang war die Wirtschaft sehr abhängig von fossilen Brennstoffen, die relativ günstig, verlässlich verfügbar und erprobt sind. Die anstehenden Veränderungen strahlen in alle Bereiche der Volkswirtschaft aus. Es kommen die gegenläufigen Effekte zum Tragen, es gibt Unsicherheiten über die Politik, wie schnell und wie stark sie handelt. Allein in den USA können wir jetzt mit der Wahl Donald Trumps mindestens vier Jahre Bremswirkung erwarten. Zudem sind Teile der Bemühungen auch abhängig von Verhaltensänderungen der Konsumenten. Und nicht zuletzt sind zum Beispiel auch Dienstleistungen des Ökosystems schwer zu bewerten und zu berechnen.
In welchen Bereichen bzw. Sektoren sehen Sie für das Ziel eines nachhaltigen Wirtschaftswachstums die größten Herausforderungen?
Wir haben uns nicht einzelne Sektoren angeschaut, aber natürlich steht der Energiesektor als größter Emittent von Treibhausgasen im Mittelpunkt der Bemühungen. Hier bestehen die größten Herausforderungen, gleichzeitig ist die Transformation hier finanziell wahrscheinlich am schwierigsten zu stemmen. Was eine Transformation aber grundsätzlich so schwierig macht, ist, die richtige Balance zwischen den Zielen zu finden. Zum Beispiel benötigen erneuerbare Energien viel Platz, für die Produktion von Solarpaneelen braucht man Mineralien, was wiederum einen vermehrten Abbau von Ressourcen bedeutet, um nur ein Beispiel zu nennen. Die Herausforderungen sind groß.
Welche Bedeutung hat der technische Fortschritt bzw. Innovationen in dieser Diskussion? Können sie für entscheidende und zugleich nachhaltig orientierte Produktivitätseffekte sorgen?
Die Hoffnung ist zumindest da. Es gab in der Vergangenheit ja bereits viele innovative Entwicklungen, etwa im Bereich Elektromobilität, Digitalisierung und Künstliche Intelligenz. Doch es kommt darauf an, dass diese Innovationen nicht ressourcen- und nur wenig energieintensiv sind. Ich bin aber davon überzeugt, dass technische Entwicklungen deutlich helfen können. Denn klar ist, dass eine Volkswirtschaft mit nachhaltiger Energieerzeugung technologisch auf einen vollkommen neuen Pfad gerät, auf dem weitere Innovationen und damit positive Produktivitätseffekte auftreten werden, die heute schlicht noch nicht absehbar sind.
Wie kann das gelingen?
Zu hoffen ist, dass im privatwirtschaftlichen Bereich die Innovationsaktivitäten im Umweltbereich massiv vorangetrieben werden, sodass dank neuer Technologien der Klimawandel begrenzt werden kann. Um hier ein größtmögliches Entfaltungspotenzial zu schaffen, sollte ein innovationsfreundliches Umfeld geschaffen werden, das einen ergebnisoffenen technischen Fortschritt ermöglicht. Hierzu gehört nicht zuletzt der Abbau von bürokratischen Hürden und insbesondere auch von Subventionen, die sich auf einzelne Technologien konzentrieren.
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